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Fürsorge, um wieder zu Kräften zu kommen

  • Antje Hoell
  • 12. Jan. 2021
  • 3 Min. Lesezeit

Seit Samstag bin ich wieder zu Hause. Die zwei Tage Chemotherapie mit dem Antikörper haben meinem Körper und meiner Psyche ganz schön zugesetzt. Ich fühle mich platt, die Knochen schmerzen. Es fühlt sich so an, als ob ich einen Infekt habe. Um wieder zu Kräften zu kommen, habe ich für diese Woche alle Arzttermine und meinen weiteren Therapietermin am Donnerstag abgesagt. Ich kenne meinen Körper. Nach der Strapaze letzte Woche schreit er förmlich nach Ruhe und liebevoller Zuwendung. Habe ich das gerade wirklich geschrieben? Noch vor einem Jahr hätte ich versucht, körperliche Schwäche zu ignorieren und weiter zu machen. Seit dem Umzug an die Küste, der notwendigen Auseinandersetzung mit der Erkrankung und der durchzuführenden Chemotherapie, habe ich endlich gelernt, auf meinen Körper zu hören und ganz wichtig: für mich zu sorgen. Natürlich könnte ich jetzt, wie bestimmt viele andere PatientInnen sagen: „Egal, da muss ich jetzt durch. Dann geht es meinem Körper in den nächsten Wochen halt richtig schlecht“. Das will ich jedoch nicht. Ich habe meinen Mut zusammengenommen und die Therapie für diese Woche abgesagt. Auch wenn ich damit gleich ein schlechtes Gewissen hatte. Ich musste mir, wie so oft, den notwendigen Zuspruch von meinem lieben Mann holen. Faszinierend. Mit seiner so rationalen Art und seinen klaren Aussagen schafft er es immer wieder, mich in meinen Entscheidungen zu bestärken. Wow, was bin ich für ein Glückspilz, dass ich diesen Mann an meiner Seite habe. Gleichzeitig habe ich meinen Oberarzt um einen Termin gebeten, in dem ich meine zahlreichen Fragen, die ich zum weiteren Therapieverlauf und meiner Prognose habe, stellen will. Zum Glück akzeptiert mein Oberarzt meine Anliegen, nimmt diese gelassen hin und geht auch darauf ein.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Stärkung meiner Psyche. Wer mich kennt, weiß: ich denke zu viel und fühle zu intensiv. Das ist das Los hochsensibler Menschen. Seit der Chemotherapie habe ich des Öfteren den Infusionsständer mit dem großen Chemobeutel vor meinen Augen. Die Vorstellung, diese Dosis ab sofort jede Woche zu erhalten, lässt mich erschauern. Wie stärke ich mich gedanklich? Wie schaffe ich es, meinen Lebensmut unter der Therapie und den Nebenwirkungen nicht zu verlieren und optimistisch in die Zukunft zu schauen? In dem ich z.B. diese Woche alle Arzttermine abgesagt habe und mich nur in unserer Wohnung und der herrlichen Natur aufhalte. Heute schien seit Tagen wieder das erste Mal die Sonne. Auch wenn ich mich zu Spaziergängen aufraffen muss, habe ich es heute geschafft, rauszugehen (s. beigefügte Fotos). Ich betrachte die tiefliegende Sonne als Kraftquelle, als Wegweiser. Sie ist das Licht auf meinem Weg, der vor mir liegt. Die Sonne scheint jeden Tag. Auch wenn wir sie nicht immer sehen. Dennoch begleitet sie uns auf unseren Wegen. Manchmal scheinen die Wege steinig oder wie heute sehr matschig und kaum begehbar zu sein und dennoch finden wir Möglichkeiten, diesen Weg zu gehen. Ich bin heute an vielen Stellen breitbeinig gegangen. Zwischen mir der Matsch und rechts und links meine dreckigen Schuhe. Ich hatte Freude dabei und musste über mich schmunzeln, wie ich so breitbeinig des Weges gehe. Das kann ich: Freude und Leichtigkeit in schweren Situationen empfinden. Das ist eine Eigenschaft, auf die ich richtig stolz bin und die ich mir nicht nehmen lasse. Im Gegenteil. Zu gerne stecke ich andere Menschen mit meiner kindlichen Freude und Neugier an.


In dem Sinne wünsche ich uns, dass wir uns in den nächsten Tagen, wenn die Sonne scheint, über das Kitzeln der Sonnenstrahlen auf unserer Nase freuen und wir aneinander denken.




 
 
 

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